
© Brotherland Jakobs Zaninelli
Virtuelle Ausstellung
Brotherland
Brotherland ist ein visuelle Recherche über Nationalismus, Rassismus, Gewalt und zerbrochene Träume. Im Mittelpunkt von Brotherland steht der Rassismus gegen Vertragsarbeiter:innen von ihrer Ankunft in Ostdeutschland in den 1980er Jahren bis nach dem Mauerfall. Mehr unter brotherland.info
von Martina Zaninelli und Thomas Jakobs
Juli 2025

© Bundesarchiv_Bild_183-T0426-0001

© Hoyerswerda_1991_Detlev Konnerth
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Brotherland berichtet über Fakten, die inzwischen mehr als 30 Jahre zurück liegen. Leider hat das Erstärken (extrem)rechter Parteien und Gruppierungen, rassistischer und nationalistischer Populismus das Projekt aktueller gemacht, als wir jemals gewollt hätten.
Um den Mangel an Arbeitskräften zu beheben, schloss die DDR Anfang der 1960er Jahre bilaterale Verträge mit anderen Staaten ab. Diese sozialistischen Staaten – Angola, Algerien, Mosambik, Kuba und Vietnam – wurden als „Bruderländer“ bezeichnet.
Das Projekt erzählt vom Alltag, in dem Rassismus gelebt und ausgedrückt wird, vom gefährlichen Kneipengespräche, die oft nur die Spitze des Eisbergs ist. Brotherland berichtet wie die ehemaligen Kolleg:innen und Nachbar:innen aus den Brüderländern zum Sündenbock für die wirtschaftliche und soziale Instabilität nach dem Mauerfall gemacht wurden.

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In der tagesaktuellen Berichterstattung und auch der Geschichtsschreibung kamen – und kommen – die Menschen, gegen die sich diese Gewalt richtete, selten zu Wort. Auf die Fragen, wieso(deutsche) Jugendliche den Hitlergruß machen oder wieso der Rassismus in den neuen Bundesländern womöglich „verständlich“ sei, wurde erheblich mehr Gewicht gelegt.
Wir haben ehemalige Vertragsarbeiter:innen aus Angola, Mosambik und Vietnam in verschiedenen Bundesländern interviewt und porträtiert. Ebenso haben wir uns aber auch entschieden, Deutsche zu interviewen, die in den in den 1990er-Jahren in Hoyerswerda, Eberswalde und Rostock gelebt haben, um mehr von den/ihren Lebensrealitäten während und nach der Wende zu erfahren und ein breiteres Bild der Zeit zu geben in denen die Angriffe stattfanden und von einer breiten Masse legitimiert wurden.

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1991 wurde ein Wohnheim für Vertragsarbeiter:innen im sächsischen Hoyerswerda mehrere Tage lang angegriffen. Es folgten 1992 die Anschläge von Rostock-Lichtenhagen. Die Häuser von ehemaligen Vertragsarbeiter:innen und Asylbewerber:innen sowie die Bewohner:innen wurden mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen. Die Angriffe dauerten mehrere Tage an. Jeder wusste, dass sich noch Menschen in den Häusern befanden – die Gebäude fingen Feuer, die Menge jubelte und die Polizei griff nicht ein. Bis zu 3.000 Menschen nahmen an dem Pogrom teil.

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Hoyerswerda und Rostock waren nicht das Ende der Gewalt, aber das Jubeln und Klatschen bleibt beispiellos und zeigt den Rassismus in seiner ganzen facettenreichen Brutalität. Den Pogromen von 1991 und 1992 folgten in den 1990er Jahren unzählige weitere rechtsextreme Anschläge – Ausdruck rassistischer und nationalistischer Einstellungen – die später in den mörderischen Terror des so genannten NSU1 mündeten.

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Die Komplexität jener Jahre und ihre Erbe wird durch kontextualisierende Fotos, Archivmaterial, Porträts, Interviews und Texte dargestellt und verständlich aufgearbeitet.
Die Fotos wurden an den Orten aufgenommen, an denen die Anschläge stattfanden, und zeigen sie in einer zeitlosen Dimension – denn was einmal geschehen ist, kann wieder geschehen. Die Stillleben und das Archivmaterial konzentrieren sich auf die Spektakularisierung der Ereignisse und auf verschiedene Facetten der Gewalt.

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Martina Zaninelli macht die Fotos, Thomas Jakobs stellt die Fragen. Gemeinsam haben sie Brotherland konzipiert und haben mehrere Jahre an Brotherland zusammen gearbeitet. Martina ist in Italien geboren und aufgewachsen. Thomas ist in einem Staat geboren und aufgewachsen, den es nicht mehr gibt, der DDR. Beide leben jetzt in Berlin. Thomas hat als Erlebnispädagoge und Erzieher gearbeitet. Martina hat einen BA in Geschichte, besuchte Lisa Barnards Masterclass in Fotografie und hat international ihre Fotoarbeiten ausgestellt. Jetzt arbeiten beide – im Berliner Nachtleben – als Türsteher:in. Ihr Projekt Brotherland wurde bei Castelnuovo Fotografia (Italien), Les Boutographies und Hors le Murs (Frankreich) und Fusion Festival ausgestellt, es wurde für Photo-Match in Łodz ausgewählt, kam auf die Longlist für das Format Festival und Athens Photo Festival und wurde in verschiedenen Städten in Deutschland wie Rostock, Dresden und Berlin ausgestellt.