Protest - Aufbäumen in Grünheide

Fotografie: Redaktion Ostjournal, Typografie: Iliyá Fogg.

Wasser. Wald. Gerechtigkeit.

Aufbäumen in Grünheide

Was es braucht, um einem rechten Aufschwung etwas entgegenzusetzen, sind konkrete, lokale Initiativen. Rechten Parteien gelingt es gut, reale Sorgen und Nöte von Menschen aufzugreifen. Sie bieten allerdings keine Lösungen an. Häufig ist das Gegenteil der Fall. Ihre Fürsorge ist nur geheuchelt, weil ihre eigentliche Politik zur Verschärfung der Probleme beiträgt, zum Beispiel wenn marktliberale und unternehmerfreundliche Maßnahmen zu wachsender sozialer Ungleichheit führen. Linke soziale Bewegungen von unten hingegen können echte Alternativen aufzeigen.

Dafür lohnt der Blick nach Grünheide in Brandenburg. Hier hat das US-amerikanische Unternehmen Tesla eine Elektroautofabrik in ein Trinkwasserschutzgebiet gebaut. Die Landesregierung hat das von Beginn an tatkräftig unterstützt, unter anderem durch Vorab- und Ausnahmegenehmigungen, denn die eigentliche Genehmigung zum Bau der Fabrik gab es erst am 4. März 2022, drei Wochen bevor die ersten Autos geliefert wurden. Produziert wurde zu dem Zeitpunkt bereits seit Monaten, der Bau begann zwei Jahre zuvor. Ein bis dahin einmaliges Vorgehen in Deutschland. Zuletzt genehmigte der Gemeinderat Grünheide unter Missachtung eines klaren Bürger*innenvotums einen Bebauungsplan zur Erweiterung der Fabrik. Tesla schöpft auf seinem bisherigen Gelände seine Produktionskapazitäten maximal zur Hälfte aus, will die Fabrik aber bereits erweitern und die Kapazitäten verdoppeln. Gleichzeitig entlassen sie Arbeitskräfte aufgrund einer geringen Konjunktur und lagern zu viel produzierte Autos auf einem alten Flughafen in Neuhardenberg.

Schnell gründete sich aber auch eine Bürgerinitiative, die die Abholzung des Waldes für die Fabrik, den Wassermangel in der Region und die Gefährdung des Grundwassers kritisierte. Sie grenzten sich strikt nach rechts ab und bildeten Allianzen mit Akteur*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung. In dem Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ sind bis zu vierzehn regionale und überregionale Gruppen inklusive der Bürgerinitiative Grünheide organisiert. Zusammen verbinden sie den lokalen Kampf in Ostbrandenburg mit anderen Kämpfen entlang der Wertschöpfungskette des grünen Kapitalismus: den Lithiumabbauregionen in Chile, den Kobaltminen im Kongo oder den Kämpfen ums Wasser in Frankreich. Aus der lokalen Initiative ist mittlerweile eine global vernetzte Bewegung geworden, die zuletzt bis zu 2000 Aktivist*innen zum Klimacamp unter dem Motto „Wasser. Wald. Gerechtigkeit.“ ins beschauliche Grünheide mobilisierte. Mit zahlreichen Workshops, Aktionen und einer großen Demo wehrte man sich gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur durch das Unternehmen Tesla.

Die Bilderserie liefert ein paar Eindrücke über die Ansiedlung der Autofabrik und das Protestgeschehen in den letzten zwei Jahren.

von Friedemann Wiese
Juni 2024

Steffen Schorscht, Barbara Hoyer, Heiko Baschin und Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide beim ersten Waldspaziergang des Jahres 2023 im April.

Ein Hinweisschild im noch bestehenden Wald südlich des Bahnhofs Fangschleuse. Auch dieser Wald soll für die Autofabrik von Tesla abgeholzt werden, um Teslas Gelände zu erweitern. Ebenso wie Teile des ursprünglichen Fabrikgeländes, ist dieses Gelände Wasserschutzgebiet.

Die Tesla-Autofabrik – eine Dauerbaustelle. Im Herbst 2022 wurde hier bereits produziert, obwohl
die Fabrik noch nicht genehmigt war und sich ganz wesentlich in Bau befand. Bis heute ist die Fabrik nicht fertig gestellt. Gleichzeitig strebt Tesla bereits eine Erweiterung und damit die Verdopplung seiner bis jetzt maximal zur Hälfte ausgeschöpften Produktionskapazitäten an.

Die Ostdeutsche Eisenbahn ODEG warb im Sommer 2023 am Rande der Landesstraße 23 um Arbeitskräfte. Dort verkehren Shuttle-Busse zwischen dem Bahnhof Fangschleuse und der Tesla-Autofabrik.

Waldspaziergang im September mit Manu Hoyer sowie Carolina Vilches und Jorge Díaz von MODATIMA aus Chile.

Am 29. Februar 2024 besetzten Aktivist*innen den Wald, der für die Erweiterung des Geländes gerodet werden soll. Da sie neben der Abholzung des Waldes vor allem den Verbrauch und die Gefährdung des Grundwassers unter dem Wald thematisieren, sprechen sie auch von einer Wasserbesetzung und nennen den Ort Wasserwald.

Am 10. März 2024 organisierte das Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ eine große Demo vom Bahnhof Fangschleuse zum Rathaus Grünheide. Unter dem Motto „Tesla Nein Danke“ forderten sie die Umsetzung des überraschend deutlich ausgefallenen Bürger*innenvotums gegen eine Erweiterung der Fabrik. Viele nutzten die Gelegenheit für einen Besuch der Wasserwaldbesetzung. 

Vom 8. bis 12. Mai organisierten das Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ und „Disrupt Tesla“ ein Klimacamp in Grünheide. Nach zahlreichen Workshops, Konzerten und Aktionen endete das lange Wochenende mit einer Demo zur Fabrik unter dem Motto „Wasser. Wald. Gerechtigkeit.“.

Friedemann Wiese ist in Leipzig geboren, im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen und lebt jetzt in Berlin. Überwiegend schreibt er – meistens für sich selbst, gelegentlich auch für andere und manchmal auch wissenschaftlich. Fotografieren kann er nicht, macht es aber trotzdem manchmal. Als Ethnograph verbringt er gerade viel Zeit in Grünheide. Friedemann ist Mitglied der Ostjournal-Redaktion.

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